Samstag, 27. Mai 2017

Der Berg ruft! - Rapsody in gelb 21.05.2017


Schleswig Holstein ist das Bundesland zwischen den Meeren (Nord- und Ostsee), und bekannterweise nicht gerade die erhebungsreichste Region in Norddeutschland. So verwundert es nicht, dass es selbst für den gemeinen Einheimischen ein ungewöhnliches und besonderes Ereignis ist, die schöne Natur, und speziell Ende Mai, die Rapsblüte der Holsteinischen Schweiz aus einer größeren Höhe zu betrachten. Prädestiniert für so ein Vorhaben ist der Bungsberg bei Schönwalde, Kreis Ostholstein. Majestätisch und erhaben reckt sich das Bergmassiv mit einer Höhe von unglaublichen 167,4 m ü. NHN ins Flachland, und lehrt dem Bezwinger Demut und Ehrfurcht in seinem Willen, den Gipfel zu erklimmen.

Der Gipfelstein wollte in natura begutachtet werden.
Besonders berüchtigt ist der Anstieg über die Westflanke. Zahlreiche Expeditionen hatten in der Vergangenheit entweder herbe Verluste zu beklagen oder gaben bereits im Vorwege auf, da ein Weiterkommen durch unwegsames Gelände und an steilen Berghängen aussichtslos erschien. Selbst die Koryphäen der Bergsteigerszene - man denke spontan an bekannte Persönlichkeiten wie Luis Trenker oder Reinhold Messner - wagten sich nur mit Unterstützung modernster Technik und bestens geschultem Helferteam in diese rauhe Umgebung. Daß ein Aufstieg durchaus auch mit einfachen Mitteln zu bewerkstelligen ist, sollte bewiesen werden!

 
 
Blech sabbeln, Käffchen-Doping
Dementsprechend hochmotiviert waren die Teilnehmer der Tour „Der Berg ruft! - Rapsody in gelb“, dieses hochgesteckte Ziel zu erreichen. Der Veranstalter, die Bäderbande Lübeck, versprach eine Zweirad-Achterbahn mit spektakulärer Streckenführung durch wildes Dickicht, die alle in ihren Bann ziehen sollte. Als Belohnung winkten der faszinierende Lübecker-7-Türme-Fernblick, ein endloser Ostseehorizont und das traumhafte 360-Grad-Funkturm-Panorama vom Gipfel aus auf die Rapsblüte der Region. Als Basislager diente der Famila Parkplatz in Stockelsdorf bei Lübeck; hier sollten alle Fahrer auf die Mission eingeschworen werden. Man war sich sicher: Da die Technik der teilnehmenden Fahrzeuge eher dem Stand der 70er oder 80er Jahre entspricht, sollte ein Gelingen nur möglich sein, wenn alle Teilnehmer den Gruppengedanken und das Teamwork bis in die letzte Pore verinnerlichen würden. Zur Vorbereitung auf den Trip wurde ausschließlich frisch gebrühter Kaffee angeboten, der dann auch allen Teilnehmern am Treffpunkt verabreicht wurde. Nach und nach trudelten die Vespisti aus näherer Umgebung in 2er- bis 5er-Grüppchen am Treffpunkt ein. Nach den verschiedenen Anrollern zum Saisonbeginn in Kiel, Hamburg und Lübeck gab es so ein erstes Wiedersehen, HighFives und Benzingespräche.
 
 


Das komplette Teilnehmerfeld kurz vor dem Start
Thema Nummer eins allerdings einhellig: Werden wir den sagenumwobenen Yeti in seinem Frühjahrsfell sehen? Alle bereits Anwesenden streckten jedoch die Hälse lang und länger, als ein sich aus der Ferne näherndes Vibrieren und Knattern die Luft durchzog. Eine fette Feinstaubwolke kündigte so die Ankunft der Hamburger und Bad Oldesloer Teilnehmer an, welche gemeinsam im Troß mit 16 Mann eintrafen. Herzlich willkommen! 
Besonders erwähnen möchten wir an dieser Stelle die Leistung von Sören aus Varel (FRI), welcher solo mit einer Anfahrt von 246 km die jemals weiteste erzielte Anreise zu einer unserer Ausfahrten auf sich nahm. Chapeau Sören! Die wettertechnischen Bedingungen waren an diesem Sonntag optimal: Trockene Piste und fast wolkenloser Himmel. Und so fanden sich letztendlich 59 Teilnehmer ein, um die Herausforderung einer Strecke mit dem Flair eines jener Fahrgeschäfte aus dem Hansa-Park in Sierksdorf auf sich zu nehmen. Und wir reden hier von Kalibern eines "Fluch von Novgorod oder "Schwur des Kärnan"! Peanuts!
 
Sören bekam den imaginären Pokal für die weiteste Anreise.
Dann sollte es endlich losgehen. Mann (und selbstverständlich auch Frau) und Maschine waren optimalst vorbereitet, der korrekte Sitz der Ausrüstung gecheckt und der Tank voll gefüllt. Unterstützt wurden wir wieder von Dieter „Fietsch“ im Papamobil, der Equipment und die Verpflegung zur Ankunft am Ziel geladen hatte. So gab es keine Probleme, als der Korso pünktlich um 12 Uhr Mittags startete und zum Warmmachen Richtung Pariner Berg rollte. Auf diesem Abschnitt konnten sich die Fahrer mit entspannten Fahrmanövern auf die zu erwartende Strecke Richtung Ziel Bungsbergmassiv vorbereiten. Testen von Lenkeinschlag, Schräglage und Angasen im Scheitelpunkt der Kurve, Hochschalten in den 3., Ausfahren auf der Geraden, nächste Kurve anvisieren, runterschalten und das Gleiche noch mal – läuft! Das erste Highlight war alsbald der Fernblick vom Pariner Berg aus Richtung Lübeck: Wie sich die Kirchtürme der Hansestadt in der Landschaft umher abzeichnen, ist wirklich einmalig. Zudem gab es einen ersten Eindruck auf die bereits erwähnten Rapsfelder der Umgebung. Das charakteristisch leuchtende Gelb erzeugt einen einzigartigen Fleckenteppich in der Natur. Busweise werden Touristen rangekarrt, die diesen Anblick der Umgebung genießen wollen. Über Nebenstrecken fernab der Bundesstraßen ging es dann weiter wie gewohnt Richtung Zwischenstopp Hafen Niendorf/Ostsee, dort sollten sich alle Teilnehmer zur Stärkung noch das ein oder andere Fischbrötchen einverleiben.
 
 Blechparade direkt am Hafen, Fischbrötchen fassen!
 

Mensch-Natur-Technik
Die Ankunft der bunten Truppe sorgte bei den zahlreichen Sonntagsspaziergängern aufgrund des Getöses für einige Aufmerksamkeit, sogleich wurden die Fahrzeuge prominent direkt am Hafen in Aufstellung gebracht, um in Reih und Glied als Motiv für ein Erinnerungsfoto herzuhalten. Dieses oder jenes Schmuckstück unter den Fahrzeugen weckt eigentlich immer das Interesse der staunenden Passanten, man kommt sofort ins Gespräch und begeisterte Erinnerungen an gute alte Zeiten werden geteilt: „Damals sind wir mit der Vespa in den Süden gefahren“, oder „Genau so ein Modell hatte ich auch mal“, hört man immer wieder. Vespa ist  und bleibt eben nicht nur ein Fortbewegungsmittel, sondern ein Lebensstil, der verbindet.
 
Gleich geht´s weiter...
Nach angemessener Fischbrödlpause wurden die Motoren wieder angekickt, es sollte weitergeknattert werden zum einzigen Tankstopp auf der Hintour, und zwar In Timmendorfer Strand. Sehen und gesehen werden gilt hier als oberstes Prinzip. Im „Engels Eck“, von den Einheimischen spöttisch „Cafe Wichtig“ genannt, oder im „Zentral Cafe Fitz“ schlürfen Hamburger Unternehmer/innen, Einheimische und Touristen edlen Champagner und handverlesene Muscheln, oder präsentieren stolz die neue Louis Vuitton Handtasche. Wer in erster Reihe sitzt, hat definitiv die beste Sicht auf die nur wenige Meter entfernte Strandallee, Timmendorfs Laufsteg für aufgemotzte Sportwagen und PS-starke Falschtakter. Selbstverständlich haben wir es uns nicht nehmen lassen, ebenfalls unsere schicken Knatterbüxen zu präsentieren und den Platz mit einer Gourmet-Zweitaktwolke zu verhüllen. Nochmal die Kupplung gezogen und schööön den Gashahn aufgedreht, so macht man sich Freunde. Wir fanden's geil, die Haute Volaute was not amused. Verwunderung unter den Vespisti... :-D .
 
In Reih und Glied auf der Strandallee
 Der folgende Tränkenstopp ging recht flott über die Bühne, nonstop sollte dann schließlich weitergeknattert werden. Auf der Strandallee in Scharbeutz und Haffkrug bot sich zum letzten Mal die Gelegenheit, die grandiose Aussicht auf die Ostsee und den unendlichen Horizont zu genießen. Fast direkt am Strand entlang erfolgt die Entschleunigung ganz automatisch, und so konnten sich die Expeditionsteilnehmer auf dem folgenden Streckenabschnitt via Röbel und Griebel mental auf den Teil der Strecke vorbereiten, welcher unter Insidern als anspruchsvollster gilt: „The hidden Track“ ab Kasseedorf verzeiht keine Fahrfehler! Höchste Konzentration ist unbedingt erforderlich. Enge, uneinsichtige Kurven in abschüssigen Lagen im abrupten Wechsel mit steilen, nahezu fast unbezwingbaren Anstiegen auf (allerdings bestens präparierten) Feldstraßen und Waldpisten fordern fahrerisches Können und Beherrschung der Technik von höchstem Geschick. Hat man sich allerdings einmal auf diese Gegebenheiten eingestellt, folgt der Fahrspaß ganz automatisch. Und der stellte sich offensichtlich auch recht schnell ein, dem breiten Grinsen der Teilnehmenden nach zu urteilen.
 
 Der letzte Kilometer auf einem naturbelassenen Offroad-Sandweg entlang der Nordwand in Richtung Gipfel hat es dann nochmal so richtig in sich. Verliert man hier nicht die Kontrolle über die Blechbüxe, steht der von einem Glücksgefühl begleitenden Ankunft auf der Gipfelstation nichts mehr im Wege. Zusätzlich motivierend wirkte offenbar auch die Ankündigung des Veranstalters im Vorwege der Ausfahrt, zur Belohnung ein opulentes Kuchenbuffet auf dem Gipfel bereitzustellen, und die zu erwartende Aussicht von der Plattform des Funkturmes in einer Höhe von insgesamt 207,4 m ü. NHN. Nach und nach, in einer fast endlos wirkenden Kolonne, trafen schließlich alle Teilnehmer am Ziel ein. Der Berg rief, und wir hörten ihn - Mission erfüllt!
 
Ankunft am Gipfel (links oben ist ein Zipfelchen vom Funkturm zu sehen)
 Wie mit einem Schlag waren alle Strapazen und Anstrengungen vergessen, man beglückwünschte sich gegenseitig, wildfremde Menschen fielen sich in die Arme. Hier und da wurde mit einem sanften Streicheln über die Lenkkopfabdeckung oder der Seitenbacke dem treuen und zuverlässigen Gefährt gedankt. Wer dann noch nicht genug hatte, konnte die exakt 199 Stufen zur Aussichtsplattform des Funkturmes hochkraxeln und das 360-Grad-Panorama auf die Holsteinische Schweiz genießen. Fazit: Der Teamgedanke siegte wieder mal über die Einzelleistung. Den Yeti in seinem Frühjahrsfell haben wir allerdings nicht zu sehen bekommen, es wird also im nächsten Jahr erneut eine Expedition geben müssen.
 
So schön ist´s nur bei uns im Norden! :-D
 

Wie immer geht ein Dankeschön an alle die mitgeholfen haben, Kuchen gebacken, Streckenposten und besonders an die von weit her gereisten! Ihr seid Luis Trenker
 
Bis zum nächsten Mal, euer Lorbass!