Mittwoch, 29. April 2015
Donnerstag, 23. April 2015
Mal aus gegebenem Anlaß ...
... und mit der Bitte um Mithilfe:
http://www.presseportal.de/polizeipresse/pm/19027/3003182/pol-se-gross-niendorf-rollerfahrer-bei-unfall-schwer-verletzt-zeugenaufruf
http://www.presseportal.de/polizeipresse/pm/19027/3003182/pol-se-gross-niendorf-rollerfahrer-bei-unfall-schwer-verletzt-zeugenaufruf
Wenn zu diesem
Fall jemand etwas Verdächtiges bemerkt hat, auch nach diesem schrecklichen Unfall, zum Beispiel ein auffällig beschädigtes Auto (in einer Werkstatt) oder jemand,
der plötzlich nur noch Fahrrad oder Bus fährt etc., der möge sich bitte unter
der in den Artikeln angegebenen Telefonnummern melden.
Unsere
Rollergemeinschaft ist derzeit echt geschockt. Auch ich persönlich fahre seit
gestern irgendwie anders auf den Straßen. So eine Nachricht steckt tierisch in
den Knochen. Warum er? Und: Wer kann der/die nächste sein? Und vor allem:
Warum?!
Gestern abend
wurde bei uns zu Hause deswegen viel diskutiert. So ließen wir die Unfallstatistik des
letzten Jahres Revue passieren. Seit Juli 2014 nun drei schwere Unfälle von RollerkollegInnen,
dazu kommen drei andere Unfälle, die zum Glück glimpflich
verlaufen sind. An einem Roller ist viel Blech, also gibt es meist viel
Blechschaden, das natürlich leicht zu ersetzen ist. Einen neuen Arm, ein Bein
oder einen neuen Kopf zum Anschrauben kann man im einschlägigen Online-Rollerhandel leider noch
nicht bestellen. So bekommt die geliebte Vespa plötzlich einen ganz neuen
Stellenwert, nämlich: Total egal, Hauptsache am Leben.
Die Ursache
der Rollerunfälle aus unserem Dunstkreis im letzten Jahr ist zu 99,9 % eine
genommene Vorfahrt. Beziehungsweise "man wurde nicht gesehen".
Dagegen spricht:
- Roller müssen auch am Tage mit Licht fahren (einige Autofahrer raffen das nicht mal im Dunkeln).
- Sie sind nicht sonderlich schnell (nicht so wie Falschtakter).
- Sie sind auffällig bunt und breit in der Front dank des Beinschildes.
- Sie sind oft laut (Laute Auspüffe können Leben retten).
... und sie werden
von Fahrern gefahren, die mit dem ganzen Körper den Verkehr miterleben. Da gibt
es keine Parkhilfe, die einen mit Gefiepe warnt, daß man zu nah dran ist. Kein
integriertes Navi als Orientierungshilfe, keine sprachunterstützte Tankanzeige,
nicht mal Blinkergeklicker, geschweige denn, daß der Blinker von selbst
ausgeht. Das müssen wir alles selbst überwachen. Auf dem Roller sind wir
ständig auf der Hut, ohne uns von Wahrnehmungs-Gehhilfen (sprich: moderner Technik)
unserer Sinne zu amputieren. Dies hat uns schon oft den Hals gerettet. Wenn wir
auf dem Roller unterwegs sind (oder auf dem Motorrad), dann hören wir, wenn ein
Auto von hinten ranrauscht, wir riechen es und wir bemerken sogar eventuell
eine Veränderung in der Luft. Wir sind mit vollem Körpereinsatz im Straßenverkehr dabei. Bei
Unfällen bedauerlicherweise auch.
Sicher sind
viele von uns auch neben dem Rollerfahrer ein Autofahrer und kennen andere
Fahrperspektiven. Und daß die C-Säulen der Autos immer breiter werden und immer
mehr einen künstlich erschaffenen toten Winkel verursachen, ist klar und unerfreulich. Alles zugunsten der Sicherheit des Fahrers. Autos werden schneller, also muß
die Struktur des Käfigs auch breiter und dicker werden, um den Inhalt zu schützen. Mit
einer gummibereiften Zündspule wie einen Mini Cooper kommt man da heutzutage nicht mehr
weit. Autos dieser Art sind geschaffen für Zeiten, als man sich motorisiert noch
beschaulich und stilvoll fortbewegte.
... und als noch 50
km/h innerhalb geschlossener Ortschaften als HÖCHST- und nicht als Mindestgeschwindigkeit
galt!
Wenn ich so 15 Jahre zurückdenke und mit heute vergleiche, fällt mir auf, daß dank E-Mail und
Internet nicht nur das normale Leben rasanter geworden ist, sondern auch die
allgemeine Fahrweise. Als ich noch mit meiner original PK 50 XL fuhr, immer
schön mit 50 km/h in der Mitte des rechten Bereiches der Fahrbahn, da fuhren
die Autos noch geduldig hinter mir. Wenn ich heute mit der PX in der
Mitte der Fahrbahn mit 60 km/h fahre, werde ich innerhalb geschlossener Ortschaften waghalsig überholt.
Größer, breiter, schneller: Liegt wohl auch daran, daß Autos heutzutage nicht mehr nur Fortbewegungsmittel sind, sondern auch Statussymbole, fleischgewordene Egoshooter und vor allem gefährliche Waffen. Guckt euch doch mal die Scheinwerferfronten an, wenn sie hinter euch fahren: Wie ein aggressives Raubtier lauern sie mit LED-Kriegsbemalung im Rückspiegel, bereit zum Angriff. Wenn ich so einen hinter mir habe, gehen bei mir gleich die Alarmglocken an. Dies bezieht sich nicht auf alle, doch auf viele Autos, von deren Sorte leider immer mehr produziert werden (weil de Bedarf da ist). Sie sind PS-stark und im Grunde viel zu schnell und technisch so ausgerüstet, daß sie den Fahrer all seiner Sinne berauben. Hinzu kommt, daß die Optik des Wagens oft als Charakterprothese des Fahrers herhalten muß. Nur eine Frage der Zeit, bis was Schlimmes passiert.
Manchmal frage
ich mich, wie einige Leute heutzutage ihren Führerschein bekommen. Vergessen sie
nach der Prüfung einfach alles Gelernte? Kaum mit Lappen auf der Straße, belächeln viele von denen motorisierte Zweiradfahrer und sehen sie als nicht
vollwertig an. Wir Rollerfahrer haben nicht einfach nur einen
Autoführerschein gemacht und uns dann in ein vollverkleidetes Gefährt gesetzt,
das uns das Denken und sonstige Widrigkeiten abnimmt. Wir mußten bei 50 km/h um
eng aufgestellte Hütchen fahren (ja, auch bei Klasse 4 mit der Honda CY), uns
schrie der Fahrlehrer schmerzhaft "Eulenkopf!" ins Ohr übers Intercom, wenn wir
den Schulterblick vergessen hatten, wir mußten bei Wind und Wetter auf die
Straße, wenn es die Fahrstunden verlangten. Und bei Wind und Wetter mußten wir
Notbremsungen auf nur zwei Rädern simulieren. Wir passen unsere Fahrweise bei
Regen und Schnee an. Wir brauchen kein Cabrio, wir fahren das ganze Jahr "offen"
und wissen, wie doll Hagel selbst bei 30 km/h im Gesicht wehtut. Wir setzen uns
nicht mit Flip-Flops im Sommer auf den Bock wie die meisten "Geil-ich-habe-meinen-Auto-Lappen-vor-dem-1.-April-1980-gemacht-also-darf-ich-125er-fahren"-Fahrer
und heizen halsbrecherisch durch die Botanik. Wir verlassen uns nicht auf den bloßen
Blick in den Seitenspiegel wie manche Auto- oder Plastikfuffifahrer, sondern
machen den Schulterblick, um den toten Winkel auszutricksen. Als Rollerfahrer
fahren wir bewußt und übergeben unser Fahrkönnen nicht einfach elektronischen
Relais. Wir fahren auch nicht, um zu heizen, sondern sind mit unseren Vespen
ausgesprochene Genußfahrer. Das macht uns entspannt und generell sozial
kompatibel, auch im Straßenverkehr.
...und dann
kommt so eine Sau und zerstört dieses Credo.
Ist ja derzeit erst nur Mutmaßung, wer oder was den Unfall verursacht hat und/oder Fahrerflucht
begangen hat. (Kann auch eine Fahrerin gewesen sein, auch manche Frauen verhalten sich
im Straßenverkehr nicht immer korrekt.) Hinzu kommt der Faktor "Alkohol am Steuer", was neuerdings scheinbar wieder mehr und
mehr zum Kavaliersdelikt wird, wenn man den Statistiken der Verkehrskontrollen Glauben schenken darf. Man kann von Glück reden, wenn es einem selbst noch
nicht passiert ist, daß man im Straßenverkehr einen anderen erwischt hat. Dies
möchte man auch niemandem wünschen. In dem Fall weiß man nicht, wie man selbst
reagieren würde, wenn man es nicht erlebt hat:
Dies alles schwirrte mir seit gestern im Kopf herum, und dies mußte mal gesagt werden.
Wir alle wünschen unserem Rollerkumpel eine gute und schnelle Heilung! Wir drücken ihm und seiner Familie ganz fest die Daumen.
Gedanken von
Vio
- Steht man danach so sehr unter Schock, daß man starr weiterfährt?
- Oder gibt es Leute, die mutwillig weiterfahren und hoffen, daß der Angefahrene so sehr mit Fallen und Überleben beschäftigt ist, daß er sich nicht das Nummernschild merken kann?
- Oder bleibt neben dem Schock doch ein Fünkchen rationales Denken, daß man anhält, schnell zum Handy greift und Hilfe holt?
Dies alles schwirrte mir seit gestern im Kopf herum, und dies mußte mal gesagt werden.
Wir alle wünschen unserem Rollerkumpel eine gute und schnelle Heilung! Wir drücken ihm und seiner Familie ganz fest die Daumen.
Gedanken von
Vio
Nachtrag: Ermittlungen zufolge war es ein Wildunfall. Diesen hat unser Rollerkollege leider nicht überlebt. Wir sind unendlich betrübt über diesen Verlust.
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